Der rote Faden in der Textilindustrie

Der rote Faden in der Textilindustrie – Wie sich in der Modebranche der Fokus von Konsum auf Nachhaltigkeit verschiebt

Mode und Nachhaltigkeit – geht das zusammen? Die Modebranche selbst ist eine Erfindung für den kreativen Ausdruck, für die Individualität und für Luxusgüter. Hier trifft „brauchen“ auf „wollen“. Öko-Hardliner würden klar sagen: „Brauchen wir nicht.“ Aber im wahrsten Sinne der Nachhaltigkeit können und werden wir uns von der Mode nicht verabschieden. Doch dafür muss sie sich anpassen. Im Beispiel sind drei Unternehmen, die mit einem neuen roten Faden Kleidung nähen.

© Unsplash/Hannah Morgan
Lassen sich Mode und Nachhaltigkeit vereinen? Die Antwort gibt es hier.

Der Streit zwischen Wollen und Brauchen

Nachhaltigkeit wird allgemein üblich mit „umweltfreundlich“ oder „ökologisch“ gleichgesetzt. Ganz richtig ist das allerdings nicht. Obwohl man den Begriff mittlerweile überall lesen kann, vorzugsweise in grünen Lettern oder auf beigen Hintergründen, wissen die meisten seine wirkliche Bedeutung nicht. In Zeiten der Klimakrise, der Umweltgesetze und Fridays For Future sollte das zum Allgemeinwissen gehören. Denn wenn sich alles in Richtung Nachhaltigkeit wandeln soll, müssen wir dafür erstmal verstanden haben, was das meint.

Eigentlich ist Nachhaltigkeit ein Wort aus der Wirtschaft. Es entstand im vorletzten Jahrhundert als sich über das Konsumverhalten der Menschen aufgeregt wurde. Genauer gesagt ging es darum, dass eine Holznot entstand, weil über längere Zeit mehr Wald abgeholzt wurde als nachwachsen konnte. Es musste sich etwas ändern, damit der Wald nachwachsen und somit länger halten konnte = Nachhaltigkeit. Von der Grundidee des Abholzens wurde sich also nicht wegbewegt. Es ging vielmehr darum, einen Konsumplan zu erstellen und diesen einzuhalten. Die Menschen mussten sich in Selbsteinschränkung und Disziplin üben, weil sie ansonsten frieren würden. Deswegen ist Nachhaltigkeit in jedem Kontext auch ein ökonomisches und sozialpolitisches Projekt.

Nachhaltigkeit heißt auch Öko

Im ersten Moment hat das also weniger mit Klimawandel oder alternativen Ressourcen zu tun. Im zweiten aber schon, denn es erfordert Umdenken und Verzicht. Es soll nicht einfach gleichviel von etwas anderem, besseren genutzt werden. Sondern dort, wo es geht, soll man versuchen, mit weniger glücklich zu sein. Nachhaltigkeit will einen Wandel im Mindset. Weil das aber nicht überall funktioniert, müssen neue Wege gefunden werden; Stichwort erneuerbare Energien. Dann kommt nicht bzw. nicht so schnell der Moment der Konsumpause oder des Aufbrauchens. Deshalb ist Ökologie eine Folge aus der Nachhaltigkeit – nicht aber per se ein Synonym. Das Ziel ist eine Win-Win-Situation für Mensch, Tier und Natur, wobei alle Parteien gleichberechtigt sind.

Beim Thema Mode und Ökologie treffen zwei Welten aufeinander. Das Prinzip der Nachhaltigkeit hilft dabei, dass die beiden grundverschiedenen Ansätze parallel existieren können. Zur Bewältigung des Problems von Wollen und Brauchen hinterfragen immer mehr Konsument:innen, wie viele Kleidungsstücke und Schuhe sie wirklich tragen können. Gleichzeitig informieren sie sich vermehrt über Produktionsbedingungen und Hintergründe von Marken und Anbietenden. Genauso knallhart wie ungewollte T-Shirts oder ungetragene Schrankleichen aussortiert und gespendet werden, werden mittlerweile beim Shoppingtrip auch Unternehmen aussortiert, deren Textilproduktion moralisch nicht mehr vertretbar ist. Den Change im Mindset sieht man an den neu geschaffenen Lücken im Schrank: Diese werden nicht aufgefüllt, nur weil jetzt mehr Platz ist. Sie bleiben so lange leer, bis sich das eine neue Lieblingsteil gekauft wurde, auf das man länger gewartet oder gespart hat.

Der Gedanke an Morgen

Nicht nur das Konsumverhalten in der Modebranche, insbesondere in Deutschland ändert sich gerade. Auch Geschäftsführende schließen sich der Bewegung an. Zum einen gibt es Änderungen im Unternehmenskonzept bestehender Betriebe. Zum anderen werden neue Marken gegründet, die sich voll und ganz auf diesen Ansatz konzentrieren. Das Modelabel für Bade-, Sport- und Loungebekleidung WearWyse trägt seinen Teil dazu bei, nachhaltig zu produzieren – und lässt dabei konventionelle und gewinnorientierte Marken schlecht aussehen.

Beispiel 1: WearWyse

Umwelt- und Menschenfreundlichkeit als nachhaltiger Ansatz

Gegründet von Anika Schweigert verfolgt WearWyse den persönlichen Ansatz der digitalen Nomadin: "Reisen ist mein Lebensinhalt, aber alles hat seinen Preis. Um diese Leidenschaft beizubehalten und auch noch in einigen Jahren die schönsten Strände unserer Erde zu erkunden, muss sich schon heute etwas ändern. Das war mein Anlass zur Gründung einer nachhaltigen Modelinie.“ Weil es dabei eben nicht nur um „Öko“, sondern auch um soziale Aspekte geht, fasst die Gründerin mehrere Unternehmensprinzipien ins Auge: „Ich wollte einerseits eine moderne, sozialbewusste Marke ins Leben rufen, die andererseits auch auf die Erhaltung unseres Zuhauses, der Erde, achtet. Unsere Kleidung wird deshalb unter fairen Arbeitsbedingungen per Hand und ethisch korrekt genäht. Die Kollektionen bestehen aus Outfits, die Selbstliebe und Körperfreude ermutigen und dabei endlich auch echt bequem sind."

Die ökologische Komponente zeigt sich in der Zusammensetzung der verwendeten Textilien. Während bei der Lounge-Serie auf Pflanzenmaterialien gesetzt wird, besteht die Sportmode aus einem besonderen Material: "Meine WearWyse Active Wear produzieren wir unter anderem aus recyceltem Meeresabfall, sprich Plastik und Fischernetzen aus dem Ozean. Das spart Wasser und verringert den Ausstoß von Treibhausgasen. Die Loungewear besteht aus Bambus und Hanf, die bekannt sind für ihre natürliche und hochwertige Qualität, aber insbesondere auch für ihre Langlebigkeit.“

Beispiel 2: Sara Linke GmbH

Erhaltung von Wissen und Arbeitsplätzen als nachhaltiges Prinzip

All das ist nachhaltig im klassischen Sinne: Eine Win-win-Situation für Angestellte, Käufer:innen und die Umwelt. Ein weiteres deutsches Kleinunternehmen symbolisiert Nachhaltigkeit aus einem anderen Blickwinkel. Sara Linke kaufte während der COVID-Pandemie ein fast gescheitertes Textilunternehmen und baute es neu auf. Aus der insolventen Roland Sauer GmbH aus Hohenstein-Ernstthal wurde die Sara Linke GmbH, samt Maschinen-, Waren- und Materialbestand – und mit allen 11 Mitarbeitenden. Niemand verlor seinen Job und auch das Wissen und Teamgefühl blieb erhalten. Jetzt wachsen sie zusammen, produzieren in Deutschland und Europa und kreieren mit Künstler:innen moderne Kollektionen mit Prints, Farbverläufen und Kontrastspielen.

Beispiel 3: Toms Shoes

Teilen und unterstützen in einer nachhaltig vernetzten Welt

Der inzwischen international bekannte Schuhhersteller Toms steht in der Modebranche als einer der Big Player für Nachhaltigkeit und soziales Engagement. Seit Gründung im Jahr 2006, spendet das Unternehmen ein paar Schuhe an Kinder und Jugendliche aus bedürftigen Ländern mit jedem Paar gekaufter Schuhe. Damit halten sie einen konstanten Fluss des Teilens und Weitergebens von Gewinn aufrecht, während sie selbst weiterhin wachsen können. Um dabei keine Ressourcen aufzubrauchen, produzieren und verpacken sie mit nachhaltigen Materialien – mit dem Ziel der baldigen CO2-Neutralität. Mit Projekten für mentale Gesundheit, Chancengleichheit und das Ende der Waffengewalt in den USA engagieren sie sich dafür, dass es Menschen auf Dauer gut oder wieder besser gehen kann.

Ein nachhaltiger Fluss für eine gesättigte Branche

Egal ob als Großunternehmen mit mehreren Millionen Euro Umsatz jährlich und 500 Beschäftigten oder als Neugründerinnen im kleinen Team zu Krisenzeiten: Informierte, moderne Geschäftsführende kennen ihren Einfluss auf die Welt, die von der Verbindung zwischen Mensch und Umwelt lebt. Vor allem in einer Branche wie die der Mode, bei der alle Beteiligten wissen, dass sie eigentlich längst gesättigt ist, muss ein kritischer Blick her. Selten können Einzelpersonen den maßgeblichen Unterschied machen, Industrie und Unternehmen jedoch schon. Weil man aber nicht jedes Problem gleichzeitig bewältigen kann, legen Marken wie WearWyse und Toms einen klaren Fokus. Bei ihnen geht es um die menschliche Gesundheit und umweltschonende Produktion. Auch langlebige Kleidungsstücke und der Erhalt von Wissen und Teamgeist, wie im Beispiel Sara Linke GmbH, nehmen Teil am Long Game – nicht am Kurzstreckensprint. Es gilt, in einer Welt, die für immer produzieren und konsumieren will, einen gesunden Fluss zu schaffen, der auf Dauer funktionieren kann. Wie in Wäldern oder Ozeanen geht es bei der Nachhaltigkeit eben auch darum, dass Menschen jeder Orts nachrücken und wachsen können.