Gewalt in Reality-Shows: Wann ist die Grenze erreicht?

Kolumne von vany.schreibt: Gewalt in Reality-Shows - Wann ist die Grenze erreicht?

Bei ihr wird geroastet, analysiert und gelacht: Auf ihrem Instagram-Account "@vany.schreibt" beschäftigt sich Vany vor allem mit Reality-TV und anderen Unterhaltungsshows. Für uns schreibt sie jeden Freitag eine Kolumne über das, was euch die Woche aus der TV- und Medienwelt beschäftigt hat … Top-Thema diese Woche? Der Eklat bei "Ex on the Beach" und Gewalt in Reality-Shows!

© RTL, Vany.schreibt
Bloggerin Vanessa, besser bekannt als "@vany.schreibt", thematisiert in ihrer neuesten Kolumne unter anderen den Eklat bei "Ex on the Beach" und stellt sich der Frage, wo in Reality-Shows eine Grenze gesetzt werden kann oder sollte.

Vany.schreibt: "Reality-TV ist eine Art Spiegel der Gesellschaft"

Erst letzte Woche sahen wir wie Ex-"Are You The One"-Kandidat Marko zum zweiten Mal eine Frau im serbischen Fernsehen zu Boden schlägt und in der aktuellen Folge "Ex on the Beach" kommt es zu massiven Gewaltandrohungen. Während es im serbischen Reality Format "Zadruga" keine Konsequenzen gibt, fliegen die beiden beteiligten "Ex on The Beach"-Teilnehmer:innen kurzerhand aus der Show.

Nun kann man sich hinstellen und sagen: Gut gemacht, liebe Verantwortliche! Diesen Menschen aus der Show zu entfernen war die einzig richtige Entscheidung, liebe Verantwortliche! Oder man fragt sich: Wieso musste es überhaupt erst so weit kommen, liebe Verantwortliche?

Es ist mindestens fragwürdig, dass man jemanden an einer Show teilnehmen lässt, der schon vorher durch Hass, Hetze und vor allem Misogynie auf Social Media aufgefallen ist. Noch fragwürdiger wird es, wenn Szenen ausgestrahlt werden, in denen die erste Form der Begrüßung ein charmantes "Ich werde meine Ex mental f*cken!" ist. Und die Kirsche auf diesem spaßigen Sahnebecher namens "seichte Unterhaltung" ist, dass man dann überrascht ist, wenn so jemand dann tatsächlich aus dem Nichts ausrastet, ein umherstehendes Glas zückt und damit droht, anderen Menschen den Schädel zu zertrümmern. Hach ja – was schaut man sich schon lieber nach einem stressigen Arbeitstag an?

Klar, ich verstehe schon: Als "Fernsehmachender" hat man es auch nicht immer leicht und es ist ein Balanceakt zwischen "Ihr dummen *BEEP*, ich *BEEP* euch" und Rosamunde Pilcher. Wir wollen schließlich alle Drama, Action, Tränen und ja: auch Streit. Das ganz große Kino eben. Dementsprechend muss man als Produktion schon vorher spekulieren wer in welche Richtung Zündstoff bieten könnte. Über ein langweiliges Format spricht schließlich niemand. Über skandalöse Formate schon eher. Wir erinnern uns alle an das "Sommerhaus" 2020: Ich und halb Deutschland hatte Bauchschmerzen beim Schauen dieser Mobbingshow. Aber ganz Deutschland hat darüber geredet, richtig? Ziel erreicht, wenn man nach dem Motto "Alles für die Quote" geht.

In der serbischen TV-Show "Zadruga" geht es sogar noch wilder zu: Menschen prügeln sich, haben ungeschützten Geschlechtsverkehr und sie werden buchstäblich in den Wahnsinn getrieben. Und man kann 24/7 live dabei zu sehen. Eine Art "Big Brother"-Höllenhaus, aus dem man nicht entkommen kann und wo sich die dunkelsten Abgründe auftun. Yay! Die Bilder der letzten Woche, in denen Marko seine Freundin Vicky würgt und zu Boden schlägt sind nur schwer erträglich. Aber hier hört es nicht auf. Der gesamte Zusammenbruch dieser Frau ist zu sehen: Wie sie ohnmächtig wird, schreit, weint, verzweifelt ist. Die Kamera fängt alles ein und nimmt ihr das letzte bisschen Würde. Wer möchte so etwas sehen? Wen "unterhält" das?

Ich finde schon, dass Reality-TV eine Art Spiegel der Gesellschaft ist. Eine Frau, die im deutschen Fernsehen verprügelt wird? Unvorstellbar. Zurecht! Aber wir haben unsere eigenen Baustellen: Ein Mann droht einer Frau in einer Show ernstzunehmende körperliche Gewalt an und der erste Kommentar unter dem Post, den ich heute sehe, ist:

Immerhin war er unterhaltsam. Schade, dass er raus ist.

Und jetzt stellen wir uns vor, dass wir noch ein paar solche halbstarken Heinis in TV-Shows haben, die Frauen so behandeln und dann denkt irgendwann jeder Nachwuchs-halbstarke-Heini, dass das schon in Ordnung geht, witzig ist und man dafür vielleicht sogar gefeiert wird, wenn man so zu Frauen ist. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht abstumpfen.

Ich könnte noch ewig die Moralkeule schwingen, aber man muss auch ehrlich sagen: Eine Portion Voyeurismus tragen wir alle in uns. Ich nehme mich doch da gar nicht raus. Wer liebt es nicht anderen bei ihrem Leid zu zusehen, weil das eigene Leben mal wieder nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat? Nur ist meine persönliche Grenze da eher so zwischen "Kandidat XY denkt, keiner bekommt mit, wie er seine Freundin bei Temptation Island betrügt" und den klassischen Manipulationsversuchen vor jeder Nominierungsrunde beim "Sommerhaus" & Co. DAS ist immer noch nah dran an "Es könnte auch alles ein riesengroßes soziales Experiment sein!" Aber wer legt schon fest, was gute Unterhaltung ist? Ich allein ganz sicher nicht. Trotzdem sollte sich jeder einzelne fragen, der solche Shows konsumiert: Wo ist die Grenze? Und was wollen wir als Gesellschaft (nicht) akzeptieren? 

 

Ihr wollt das nächste Thema von Vanys Kolumne mitbestimmen? Schaut ganz einfach auf ihrem Instagram-Account "vany.schreibt" in ihrer Story vorbei! Hier geht's lang!

"Ex on the Beach" kannst du dir jederzeit bei RTL+ ansehen.