Taylor Swift: Woher kommt der Hype um sie?

Taylor Swift: Woher kommt der Hype um die Popsängerin?

Taylor Swift hat die Musikwelt im Sturm erobert – doch was ist das Geheimnis der Country-Newcomerin, die zum erfolgreichsten Popstar aller Zeiten geworden ist?

Taylor Swift ist die erfolgreichste Sängerin aller Zeiten - aber warum?

An dem Namen Taylor Swift kommt derzeit wirklich niemand vorbei. Seit dem Start ihrer "The Eras"-Tournee in den USA im März 2023 ist die Popsängerin in aller Munde. Als die Konzerttermine für ihre Europa-Tour verkündet werden, entfacht ein nie dagewesener Hype um die Musikerin. Bereits am ersten Tag des Vorverkaufs werden über 2 Millionen Tickets verkauft – mehr als jemals bei einer Tour zuvor - und dennoch gehen Millionen von Fans leer aus. Es ist die erste Konzerttour, deren Einnahmen auf über eine Milliarde US-Dollar geschätzt wird. Der Fachzeitschrift "Pollstar" zufolge sollen sich die Einnahmen pro Konzert auf 17,3 Millionen US-Dollar belaufen. Offenbar will jeder einmal Taylor Swift live sehen und dabei sein, wenn sie wieder einmal Musikgeschichte schreibt.

Doch was macht die Sängerin so besonders, dass sich die ganze Welt um sie zu drehen scheint? Hinter dem Phänomen Taylor Swift stecken gleich mehrere Faktoren, die dazu beitragen, dass sie die erfolgreichste Sängerin aller Zeiten geworden ist.

  • "The Eras"-Welttournee: Sie erfindet sich mit jedem Album neu

Die "The Eras"-Welttournee hat Taylor Swifts Bekanntheitsgrad auf ein ganz neues Level gehoben. Noch nie zuvor hat es eine dreistündige Konzertshow gegeben, in der ein Künstler wirklich jedem seiner bisherigen Alben Tribut zollt. Anstatt mit ihrem aktuellen Album auf Tour zu gehen, erarbeitet die Sängerin eine Setlist, die Songs aus allen zehn Alben beinhaltet - inklusive "Überraschungssongs", die bei jedem Konzert andere sind. Für jede Ära wirft sich Taylor dabei in ein neues Kostüm und lässt die Bühne komplett umgestalten.

Das ist es auch, was Taylor Swift so spannend macht: Sie erfindet sich mit jedem Projekt neu. Angefangen als Country-Newcomerin mit Songs wie "Tim McGraw" und "Teardrops on my Guitar", über Country-Pop-Hits à la "Sparks Fly" und "Back to December" sowie Chart-Stürmer, darunter "I Knew You Were Trouble" oder "Look What You Made Me Do", bis zu Folk- und Indie-Songs wie "Willow" oder "The Last Great American Dynasty". Während die einen Fans ihr bereits seit den Country-Zeiten oder erfolgreichen Pop-Hits folgen, sind andere erst durch die düstere "Reputation"-Ära oder die melancholische Stimmung der "Folklore"- und "Evermore"-Alben auf sie gestoßen. In den vergangenen 16 Jahren hat Taylor Swift regelmäßig den Sound ihrer Musik, ihren Kleidungsstil sowie die Ästhetik ihrer Visuals verändert - und sich damit eine breite Fangemeinde aufgebaut. "In erster Linie hat sie immer wieder viel Musik veröffentlicht. Während jeder Song Taylors typisches Songwriting aufweist, kreuzen die Alben verschiedene Genres, von Pop über Country bis hin zu Folk, und sie hat mit jeder Veröffentlichung neue Fans gewonnen", erklärt Kate Pattison, Doktorandin an der RMIT University in Melbourne, die sich auf die Musikindustrie und Fanforschung spezialisiert hat, gegenüber "SBS World News".

  • Neu-Aufnahmen ihrer alten Songs stellen Musikindustrie auf den Kopf

Sowohl alteingesessene als auch neue Swifties, wie sich die Fans von Taylor Swift bekanntlich nennen, dürfen sich seit April 2021 über Neuaufnahmen ihrer ersten sechs Alben erfreuen. Im Jahr 2019 hat die Künstlerin die Rechte an ihrer eigenen Musik verloren, als ihr altes Plattenlabel "Big Machine Records" ihre Aufnahmen für 300 Millionen US-Dollar an den neuen Besitzer Scooter Braun verkauft. Die Idee, ihre Lieder einfach neu aufzunehmen, hat Taylor laut eigenen Angaben von Sängerin Kelly Clarkson und ihrem eigenen Vater bekommen. "Der Grund, warum ich meine Musik nächstes Jahr neu aufnehme, ist, dass ich möchte, dass meine Musik weiterlebt. Ich möchte, dass sie in Filmen vorkommt, ich möchte, dass sie in Werbespots vorkommt. Aber ich will das nur, wenn sie mir gehört", sagt Taylor Swift im "Billboard"-Interview.

Seitdem achten ihre Fans ganz genau darauf, ausschließlich die Songs in "Taylor's Version" zu hören. Ein kluger Schachzug, der ihre Lieder aus den 2000er- und 2010er-Jahren gleichzeitig zurück in die Charts katapultiert - und somit auch die neuen Swifties ins Boot holt. Während die Neuaufnahmen den Plattenfirmen ein Dorn im Auge sind (und nun sogar schon dafür sorgen, dass neuen Künstler keine Alben erneut aufnehmen dürfen), erfreuen sich ihre Musiker-Kollegen an der innovativen Idee. "Sie wirft ein Licht auf Management-Verträge und darauf, was Labels sind und was sie nicht sind. Das ganze Thema der Master-Aufnahmen wurde von Taylor in den Mittelpunkt gestellt. Sie hatte das Budget, die Ressourcen und das Talent, Dinge neu aufzunehmen", erklärt Ralph Jaccodine, Assistenzprofessor für Musikgeschäft/Management am Berklee College of Music gegenüber "The Harvard Gazette".

  • Die Meisterin des Songwritings: "Nur sehr wenige Menschen haben ihr Talent"

Von ihren Fans wird Taylor Swift jedoch vor allem für ihr Songwriting-Talent geschätzt. Als eine der wenigen Musikerinnen des zeitgenössischen Pops gelingt ihr die beste Mischung aus eingängigen Melodien und intelligenten Songtexten. Die Kombination aus Beats, die einen geradezu zum Mitwippen zwingen, und poetischer Lyrik ist einzigartig. Ihre Texte sind ehrlich, emotional und für jedermann nachvollziehbar. Brian L. Donovan, der an der Universität von Kansas einen Kurs über den Megastar unterrichtet und an einem Buch über Taylors Fangemeinde arbeitet, berichtet im "Dazed"-Interview: "Ich habe mehrere Swifties interviewt, die sagten, ihre Texte seien so, als ob sie ihre Tagebücher lesen würde. Ein Teil von Swifts Genialität ist ihre Fähigkeit, persönliche Details über ihr eigenes Leben auf eine Art und Weise zu erzählen, die sich fast universell anfühlt."

Ob Liebeskummer, eine zerbrochene Freundschaft, der Verlust eines geliebten Familienmitglieds, Selbstzweifel oder die Wut auf Personen, die hinter ihrem Rücken über sie lästern: Taylor Swift behandelt Themen, die Frauen und Männer in allen Altersgruppen ansprechen und die sich dadurch endlich gesehen und gehört fühlen. Es ist allerdings nicht nur, was die Sängerin in ihren Texten sagt, sondern wie sie es sagt. "Sie hat ein hervorragendes Gespür dafür, wie die Worte zusammenpassen", betont Stephanie Burt, Dichterin und Professorin für Englisch an der Harvard University. Mit ihren Songs erzählt Taylor Swift Geschichten wie eine Bestseller-Autorin. "Nur sehr wenige Menschen haben ihr Talent als Songschreiberin", fügt Burt hinzu. Außerdem bestückt Taylor ihre Texte regelmäßig mit Insidern und Referenzen, die ihre Fans jedes Mal auf eine neue Schnitzeljagd schicken.

  • Ihre Marketing-Strategie ist unschlagbar: Jeder kann sich mit ihr identifizieren

Diese kleinen, versteckten Details, von denen nie eines zufällig auftaucht, sind es, die Taylor Swift auch zu einem wahren Marketing-Genie machen. Nicht ohne Grund wird die einstige Country-Sängerin von Wissenschaftlern wie Hannah McCann, Dozentin für Kulturwissenschaften an der Universität von Melbourne, als "ultimative PR-Berühmtheit" bezeichnet. Damit ist gemeint, dass sich nahezu jeder mit ihr identifizieren kann. "Es ist Teil ihrer PR-Strategie, niemanden wirklich ins Abseits zu stellen." Während die Millennials (Anm.d.Red.: Generation, die zwischen den Jahren 1981 und 1995 geboren ist) mit Taylor aufgewachsen sind und zeitgleich dieselben Erfahrungen wie ihr Idol gemacht haben, hat die Generation Z (Jahrgänge von 1995 bis 2010) vor allem während der Pandemie eine Menge TikTok-Inhalte über sie konsumiert und die Entstehungsgeschichte ihrer neueren Alben mitverfolgt, die wiederum ihre Jugend geprägt haben. "Insgesamt war sie für die Identitätsentwicklung und das Wachstum vieler Menschen sehr wichtig", meint Alexandra Gold, klinische Stipendiatin für Psychologie an der Harvard Medical School. Unterstützt wird diese Wirkung durch Taylor Swifts nahbares Auftreten in den sozialen Netzwerken. Bei Instagram, Twitter bzw. X, Tumblr und Co. interagiert die Musikerin regelmäßig mit ihren Fans. Sie ist unter anderem bekannt dafür, Hashtags zu entwickeln, um die sich ihre Fans scharen, und so mit vielen Menschen auf einmal in einen sinnvollen Dialog zu treten.

Hinzu kommen raffinierte Merchandise-Ideen wie für ihr zehntes Studioalbum "Midnights", von dem es vier verschiedene Editionen mit unterschiedlichen Covern auf Vinyl gibt. Fügt man alle von ihnen zusammen, bilden die Abbildungen eine große Uhr. Ein originelles Kunstwerk, das zahlreiche Swifties ihr eigen nennen wollen - und somit dasselbe Album viermal pro Person kaufen. Die Kasse der Popsängerin dürfte ordentlich klingeln!

  • Vorzeige-Feministin: Sie sagt der Misogynie den Kampf an

Insbesondere in den vergangenen Jahren hat Taylor Swift bewiesen, dass sie nicht nur die emotionale Songwriterin ist, sondern eine echte Powerfrau, die für ihre Werte einsteht. Immer wieder hat sich die Sängerin gegen Männer durchsetzen müssen, die versucht haben, sie zu kontrollieren oder manipulieren. Eine Erfahrung, mit der sich wohl jede Frau früher oder später konfrontiert sieht. 

Einer ihrer bekanntesten Machtkämpfe - neben dem gegen Scooter Braun - dürfte der gegen Rapper Kanye West gewesen sein. Bei ihrer Dankesrede für einen "Video Music Award" im Jahr 2009 stürmt Kanye die Bühne, reißt ihr das Mikrofon aus der Hand und diskreditiert die damals erst 19-jährige Taylor Swift öffentlich, indem er betont, Beyoncé hätte den Preis gewinnen sollen. Mit einem gequälten Lächeln erträgt Taylor das Drama, das einer ihrer bis dato größten Meilensteine sein sollte. In seinem Song "Famous" aus dem Jahr 2107 stellt Kanye West die Sängerin erneut bloß und behauptet: "Ich habe das Gefühl, dass ich und Taylor immer noch Sex haben könnten. Warum? Ich habe diese Schlampe berühmt gemacht." Neben frauenfeindlichen Schimpfwörtern setzt der Rapper auch noch einen drauf, indem er sich im dazugehörigen Musikvideo mit einer Oben-ohne-Taylor-ähnlichen Wachsfigur im Bett liegen zeigt. Als sich Taylor Swift dagegen wehrt, wird sie nicht als mutig, sondern hinterhältige Schlange abgetan. "Es wurde fast cool, sie zu hassen", fasst Journalistin Emmie Harrison-West für "Metro" zusammen.

Im Jahr 2013 muss Taylor Swift dann sogar vor Gericht für ihre Rechte als Frau einstehen. Der Radio-DJ David Mueller soll die damals 23-Jährige bei einem Meet und Greet begrapscht haben. Nachdem die Sängerin den Vorfall öffentlich macht, verliert Mueller seinen Job und verklagt sie auf Schadensersatz. Taylor erhebt daraufhin Gegenklage wegen sexueller Nötigung und gewinnt den vier Jahre dauernden Prozess schließlich im Jahr 2017. Als Entschädigung fordert sie lediglich einen US-Dollar, um ein Zeichen für Überlebende zu setzen und nicht von den Tätern zu profitieren.

Im Gegensatz zu vielen großen Popstars der 2000er-Jahre richtet Taylor Swift ihren Fokus nämlich nicht auf Erotik oder versucht besonders sexy zu sein. Stattdessen nutzt sie ihre Reichweite, um auf Sexismus, sexuelle Doppelmoral und geschlechtsspezifische Ungleichheit aufmerksam zu machen. "Für jüngere Fans ist sie jemand, dem sie nacheifern wollen. Für ältere Fans sind ihre Texte wie eine nostalgische Reise in die Vergangenheit", erklärt Dozent Brian L. Donovan.

Verwendete Quellen: CBS News, Pollstar, The Harvard Gazette, SBS World News, Dazed, Re-Edition, Metro